Ich bleibe hier!

Franziska war von August 2009 bis Juli 2010 Au-Pair in Oslo, Norwegen. Was sie in der norwegischen Hauptstadt alles erlebt hat, lest ihr in ihrem ausführlichen Erfahrungsbericht.

Franziska genießt die Winterlandschaft in Finnland

Was mache ich nach dem Abi?

Zuerst einmal kurz zu mir: Ich heiẞe Franzi, bin 23 Jahre jung und im schönen Norden Deutschlands aufgewachsen. Viele Familienurlaube nach Schweden haben mich schon früh geprägt und meinen Wunsch verstärkt, später einmal in diesem Land zu leben. Also fing ich an, während meiner Abiturzeit schwedisch an einer Volkshochschule zu lernen. Dabei würde ich jedem empfehlen, dies nur bei Muttersprachlern zu machen. Erfahrungsberichte, auch von Freunden, haben gezeigt, dass es immernoch am meisten Spaß und Sinn macht. Nach meinem Abitur stand ich dann vor der Wahl, das Au-pair-Jahr zu machen, was ich schon seit Jahren plante oder erstmal eine Ausbildung zu machen. Ich entschied mich für die Ausbildung und somit wurde mein Traum wieder ein Stück hinausgezögert. Im Nachhinein bereue ich es nicht, erst einen Beruf gelernt zu haben, aber dazu komme ich später.

Besuch meiner ersten Gastfamilie: Das passt nicht!

Im Sommer 2008 startete ich das Abenteuer Familiensuche über AuPairWorld. Für mich kam es nicht eine Sekunde in Frage, über eine Agentur zu suchen. Ich wusste, was ich wollte und ich war fest entschlossen, die richtige Familie für mich zu finden. Ein Jahr vor dem Au-pair-Jahr die Familiensuche zu starten ist zwar ungewöhnlich früh, aber im Nachhinein fand ich es gut, so zeitig eine Familie zu haben. Direkt im Sommer kam ich in Kontakt mit einer netten Familie aus Schweden, die ich dann im Oktober für ein langes Wochenende besuchte. Bezahlt habe ich den ganzen Trip aus eigener Tasche. Ich hatte ausführliche Telefonate mit dem Gastvater geführt und fühlte mich meiner Sache sicher. Als ich jedoch dort ankam, wusste ich sofort, dass ich bei dieser Familie ganz sicher kein Au-pair werde. Es passte einfach nicht, diese Familie war sehr chaotisch und es war null Harmonie vorhanden. Für mich als Familienmensch der absolute Horror. Ich fuhr enttäuscht, aber auch froh, diese Familie vorher besucht zu haben, heim. Eine Erfahrung, die mich auf jedenfall geprägt hat.

Die nächste Familie aus Schweden hatte mehr oder weniger einen halben „Au-pair-Kontest“ aus der Suche gemacht und ich war unter den „glücklichen letzten dreien“, die diese Familie persönlich kennenlernen durfte. Diesmal wollte die Familie wenigstens die Hälfte der Reisekosten übernehmen. Ich war ziemlich aufgeregt, immerhin war der ganze Besuch eher wie ein „Vorstellungsgespräch“ in dem man sich unter den letzten drei Mädels „beweisen“ sollte. Zu dieser Zeit hatte ich ebenfalls Kontakte geknüpft zu einer Familie in Oslo, Norwegen. Ich weiß nicht, warum Norwegen, immerhin war ich da noch nie, aber ich war wahrscheinlich frustriert von meinem ersten Fehlgriff, sodass ich meine Suche einfach auf Norwegen ausweitern wollte. Kurz nachdem ich die zweite schwedische Familie besuchte, stand auch schon der Besuch in Oslo an. Auch diesmal war ich schlauer als beim ersten Mal und vereinbarte, dass die Reisekosten wenigstens geteilt werden. In Oslo war ich dann direkt eine ganze Woche und es war so wunderschön, dass ich am liebsten direkt geblieben wäre. Die Familie war sehr offen und nett und was natürlich am wichtigsten war: Ich kam mit den Kindern wunderbar zurecht. Ich fühlte mich nicht wie eine „Bewerberin“, sondern wie ein Gast und ein guter Freund der Familie.

Nächster Besuch: ein Volltreffer!

Sie nahmen mich mit auf Ausflüge und zeigten mir ein bisschen die Umgebung. Direkt am Ende der Woche sprach ich den Gastvater darauf an, wie sie denn so über mich denken würden und dass ich mir vorstellen könnte, hier ein Teil der Familie zu werden. Er war sofort einverstanden und wir machten noch am gleichen Abend ab, dass ich ab August 2009 dort als Au-pair anfangen werde. Ich war überglücklich und auch meine Mama am Telefon bestätigte mir, dass ich bei dieser Familie viel freudiger klinge als bei allen anderen. Das Ganze war also festgemacht im Februar 2009. Ich nahm natürlich auch Kontakt zu den beiden vorherigen Au-pairs der Familie auf und bekam ebenfalls nur positives Feedback. Meine Vorgängerin war sogar zwei Jahre in dieser Familie, so schlecht konnte es also nicht sein.

Als ich im August mein Au-pair-Jahr begann, war ich furchtbar aufgeregt. Ich habe keine Ausbildung als Erzieherin oder habe nicht viel Babysitting in Deutschland gemacht, deshalb war das alles komplett neu für mich. Mein Vorteil war jedoch, dass ich die Familie wenigstens schon kennenlernen durfte und wusste, dass die Chemie zwischen uns stimmt. Meine größte Sorge in den ersten Wochen waren die Sommerferien: Ich dachte, ich wäre jetzt den ganzen Tag bis zum Schulanfang mit beiden Kindern (2 Mädchen, 3 und 6 Jahre alt) zu Hause und müsste sie beschäftigen. Aber weit gefehlt, meine Gasteltern hatten ein Sommercamp für die Große organisiert, wo ich sie jeden Morgen hinbrachte und nachmittags ganz normal abholen konnte und die Kleine ging einfach wie gewohnt in den Kindergarten. Somit hatte ich viel Zeit für mich und ich konnte mich in Ruhe die erste Woche eingewöhnen. Das half mir wirklich sehr. In der zweiten Woche startete auch schon mein Sprachkurs, intensiv, einen Monat lang von montags bis donnerstags. Da ich in der Heimat ja schon Schwedisch gelernt hatte und Norwegisch und Schwedisch sich nicht soviel nehmen, begann ich direkt im 3. Kurs. Zum Anfang war es sehr hart für mich, weil doch vieles anders war als ich gedacht hätte. Auch meine Aussprache war mehr schwedisch als norwegisch, aber unsere Lehrerin wusste davon und war sehr geduldig mit mir ;)

Nach diesem Monat kehrte auf jedenfall so eine Art Alltag ein. An meinen damaligen Freund in Deutschland dachte ich kaum, es war ja alles so aufregend und neu. Natürlich haben wir viel telefoniert, immerhin hatten wir in Deutschland eine gemeinsame Wohnung. Vielleicht erzähle ich einfach ein bisschen was zu meiner Familie. Ich bin in einer schwedisch-deutschen Familie mitten in Oslo gelandet. Meine Gastmutter ist Schwedin, sie arbeitet bei einer Bank und mein Gastvater ist Deutscher und arbeitet bei einem Autohersteller. Ich bin/war das dritte Au-pair der Familie und wurde von Anfang an herzlich aufgenommen. Meine Aufgabe war es eigentlich, viel mit den Kindern Deutsch zu reden, damit sie es lernen und selber sprechen. Bei der Großen hat das auch gut funktioniert, sie ist wirklich sehr gut in Deutsch. Die Kleine hatte mich jedoch immer fröhlich auf norwegisch zugeplappert und in der Anfangszeit bekam sie häufig einfach nur ein „Ja, aha, ok“ von mir, weil ich kein Wort verstand ;) Jedenfalls habe ich irgendwann so gut norwegisch gesprochen, dass ich vergessen habe, Deutsch zu reden mit den Kindern. Das wurde aber nicht so ernst gesehen, mein Gastvater hatte es selber manchmal vergessen.

Vegetarisch Kochen: Ein Erlebnis für die ganze Familie

Mein Tagesablauf war sicher nicht anders als bei vielen anderen Au-pairs. Morgens um sieben Uhr war Treffpunkt in der Küche, dort begann ich den Tag mit Geschirrspülmaschine leerräumen, Brote für die Schule/KiGa schmieren und den Kids das Frühstück machen. Ich hab mich immer dazugesetzt und mitgefrühstückt, ich glaube, das fanden meine Gasteltern besonders toll. Das gibt so eine nette harmonische Atmosphäre, da die Eltern selber nicht frühstückten bzw. das teils nebenbei erledigten. Nach dem Frühstück hatten wir oft genug Zeit zum Spielen oder CD hören. Eigentlich fast die schönste Zeit am Tag. Danach habe ich die beiden dann mit dem Au-pair-Auto in KiGa und Schule gebracht. Einkaufen, Wäsche aufhängen + abnehmen/sortieren, Hemden bügeln, Küche + Bad putzen und nach Bedarf das Haus durchsaugen und wischen gehörten zu meinen Haushaltsaufgaben. Die Kinderzimmer habe ich eiskalt nie aufgeräumt, da ich in der Anfangszeit schon merkte, dass es nicht geschätzt wird von den Mädels, danach durften sie es dann selber machen oder mit Mama und Papa. Am Nachmittag habe ich die Mädels wieder eingesammelt und wir haben zusammen gespielt, Hausaufgaben gemacht oder sie sind zu Nachbarskindern zum spielen abgedüst. Wenn meine Gastmum nach Hause kam, half ich ihr immer bei der Zubereitung des Abendessens (warm) und habe geholfen, den Tisch zu decken. Das war für mich immer alles selbstverständlich wie ich es auch zu Hause bei meinen Eltern gemacht hätte. Ein bis zweimal die Woche durfte ich auch kochen: Ein Erlebnis für die ganze Familie, da ich Vegetarierin bin und sie alle dann neue vegetarische Gerichte kennenlernen durften. Natürlich waren die Kinder oft skeptisch, aber probiert wurde mein Essen immer und ich durfte alles wieder kochen :)

Es gibt viele Wege, nette Leute kennen zu lernen

Nach Weihnachten (welches ich zu Hause in Deutschland verbrachte) wurden die Kids zutraulich wie vorher nie. Ich weiß nicht, ob es an den kalten Temperaturen lag (-23°C), dass sie so verkuschelt wurden. Ich habe es jedenfalls genossen und mich gefreut, endlich als richtiges Familienmitglied angekommen zu sein.
Wie hab ich meine Freizeit gestaltet in Norwegen? Ich muss sagen, es war sehr schwer unter Einheimische zu kommen, das wird jeder merken, der nach Norwegen geht. Ich war froh, dass es eine deutsche Gemeinde in Oslo gibt, die einmal im Monat ein Treffen für deutsche Au-pairs veranstaltet. Religion ist nicht so meins, aber es war ein gutes Sprungbrett, um Freunde zu finden. Direkt beim ersten Treffen im August wurden Nummern ausgetauscht, was das Zeug hält. Danach war ich vielleicht nur noch 1-2 mal dort, aber mit den Mädels die einem direkt sympathisch waren hat man bis zum Schluss was gemacht und zum Ende hin fragt man sich, wo die ganze Zeit geblieben ist.

Da ich aber nicht nur Kontakt zu Deutschen wollte, sondern ja auch Norweger kennenlernen wollte um meine Sprachkenntnisse zu verbessern und den Freundeskreis zu erweitern musste man sich schon was einfallen lassen. Ich hatte mich im Fitnessstudio angemeldet, was sich hinterher als Geldverschwendung erwies, da ich nicht mehr gerne hinging und man dort auch keine Leute kennenlernt. Nicht so wirklich. Ich fand dann schließlich eine Gruppe von Leuten, die sich einmal die Woche treffen, um gemütlich im Café ein paar Gesellschaftsspiele zu spielen. Das klingt vielleicht komisch, aber das war eine echt nette Art, um unter Leute zu kommen und sich zu unterhalten. Ich würde nach diesem Jahr immernoch nicht sagen, dass ich diese Leute zu meinen festen Freunden zähle, aber man kennt sich eben und man geht auch gerne Abends zusammen weg, um etwas zu trinken. Übrigens ist Norwegen sehr teuer, so auch der Alkohol dort, und wenn man unter 20 Jahre alt ist, kommt man kaum in irgendwelche Bars oder Clubs. Ausweiskontrolle ist hier schon am Eingang und wenn man das gewünschte Alter nicht hat, kommt man auch nicht rein. In manche Bars kommt man auch erst mit 23 oder 25 Jahren.

Ich bleibe hier!

Ich muss wirklich sagen, dass dieses Au-pair-Jahr mich sehr geprägt hat. Es gibt Sachen, die man anders sieht, wenn man auf einmal Verantwortung für Kinder übernimmt. Ich habe meinen Job als Au-pair geliebt, auch wenn es mich manchmal unterforderte. Immerhin war ich es gewohnt, einen 8-Stunden Job zu haben und nicht so ein bisschen morgens und so ein bisschen abends zu arbeiten. Ich habe das auch nie wirklich als Arbeit angesehen. Die meisten Aufgaben waren für mich selbstverständlich und ich habe sie gerne gemacht. Das merkt auch die Gastfamilie. Ich glaube, am meisten habe ich meinen Gasteltern schon den Tag versüsst, wenn man einfach gut gelaunt morgens in der Küche steht und ihnen das Gefühl gibt, sie können ohne Sorge um die Kids in den Tag starten. Ich war wirklich wie ein Familienmitglied in meiner Familie und ich vermisse sie alle unglaublich. Ich bin mit der Erwartung gestartet, dass man sich bestimmt auch mal in die Haare kriegt und mal mit den Eltern zofft oder die Kinder richtig stressig werden können. Aber weder mit den Kindern noch mit den Eltern gab es jemals eine richtige Auseinandersetzung. Es war ein Geben und Nehmen, wenn sie mich brauchten, war ich da. Wenn ich mal frei brauchte oder sonst einen Wunsch hatte, waren sie für mich da. Absolut perfekt und ich würde mir wünschen, dass es für jeden so gut läuft wie es für mich gelaufen ist. Ich würde allen empfehlen, keine Kosten und Mühen zu scheuen und auf jeden Fall die auserwählte Gastfamilie zu besuchen, bevor das Au-pair-Jahr anfängt. Am besten auch mehr als nur ein Wochenende, damit man auch einen Eindruck vom Alltag bekommt.

Jetzt, nach meinem Au-pair-Jahr, suche ich hier in Norwegen nach Arbeit, um meinen Traum vom Leben in Skandinavien wahr werden zu lassen. Das funktioniert mit einer abgeschlossenen Ausbildung aus Deutschland natürlich umso besser. Auch habe ich hier meinen jetzigen Freund kennengelernt und wir wohnen bereits zusammen. Ich kann auf jedenfall nur Positives aus meinem Au-pair-Jahr mitnehmen und hoffe, dass noch viele diesen Schritt wagen. Sucht euch eure perfekte Familie! Was für den Einen zu chaotisch ist, ist für den Nächsten genau richtig.

Viel Erfolg bei der Suche und viel Spaß beim Erfahrungen sammeln wünsche ich.

Franzi